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Die Geschichte der Rostocker Hochseefischerei
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Fischereischiff um 1900                             Bild: Wikipedia

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Vor 1945:

1252 Rostock erhält das Fischereirecht

1586 Rostocker fischen vor Norwegen bis 1600.

1886 Reederei F.A.Pust-Heringsfang in d.Nordsee

1887 Indienststellung Fischdampfer "Betty" mit 140 BRT durch Reederei Pust. Standort nach Geestermünde verlegt

29.06.1918 Rostocker Hochseefischerei AG gegründet

von den Kaufleuten und Reedern Ernst Brockelmann, Friedrich Otte, Otto Zelck und Firma F.W. Fischer
1922 - 1925 Mitglied im Dampfseefischerei-Verein e.V.
Direktoren der Rostocker Hochseefischerei A.G.

waren Dietrichs (bis 1924), Hinrich Dumas (1924) und Herrmann Schütte (1925). Später Umsiedling nach Geestemünde, Heimathafen bleibt noch Rostock. 1923 liegt die Aktienmehrheit bei Firma Hillegaart & Co., Altona. 1924 gelangt die Firma in den Besitz des Magistrats Bremerhaven.

Dampfer: "Consul Pust", "Ernst Brockelmann", "Dr..Asmus", "F.W.Fischer",  "Wilhelm Grünhage", "Stadt Rostock". 1923 verkauft die Stadt Rostock ihre Anteile. 01.08.1924 geht die Rostocker Hochseefischerei AG in die Hochseefischerei Weser AG Bremerhaven auf.
1926 in die Hochseefischerei Niedersachsen AG.

und Netzfund

1945 - 1949

Am 1.Mai 1945 besetzte die rote Armee die Stadt Rostock. Die Sowjetische Millitäradministration in Deutschland (SMAD) hatte bis zur Gründung der DDR 1949 die oberste Regierungsgewalt inne. 
Um die notwendige Versorgung der Bevölkerung mit Fisch zu ermöglichen, erließ die SMAD am 11.Januar 1946 den Befehl Nr. 11 "Verstärkung und Ordnung des Fischfangs". 
Fünf weitere Befehle hatten die Organisation und Planung des Fischfangs zum Inhalt, 1947 zwei Befehle zur Bildung von Fischereigenossenschaften und drei zum Bau von Fischereifahrzeugen.

Die ostdeutsche Fischerei wurde wiederbelebt und nun war es den Fischern auch gestattet, über die Küstenzonen hinauszufahren. In der östlichen Ostsee waren allerdings vor dem Krieg keine Hochseefischer ansässig und somit auch keine hochseetauglichen Schiffe vorhanden. Hochseefischerei wurde ausschließlich von westdeutschen Häfen aus betrieben. Die noch vorhandenen Kutter nach 1945 waren in einem desolaten Zustand. Die Ostsee durch Minen und Wracks blockiert. Schiffe, die hinausfuhren mussten noch die Signalflagge "C" führen, die für "CAPITULATION" stand.

 

Bericht eines Kapitäns von den Anfängen der Hochseefischerei in der Ostsee kurz nach dem zweiten Weltkrieg:

Bei minus 20 Grad und schneidendem Frost froren die Fische steif, kaum dass wir sie an Deck hatten. Dann haben wir sie korbweise in den warmen Betriebsgang gebracht und geschlachtet. Jeder Dorsch musste ausgenommen, jede Flunder geritzt werden. Die Schiffe vereisten mitunter gefährlich und so stark, dass wir den Fang einstellen und das Eis abschlagen mussten..............
Bei Bornholm gab es minengeräumte Zwangswege. Weiter nördlich nicht mehr. Der Krieg hatte Spuren hinterlassen. Wenn wir Munition auffischten, haben wir das Zeug nach vorn getragen und später wieder über Bord geworfen. Minen im Netz waren schwerer loszuwerden................

 

Am 17. November 1949 machte der Rostocker Rat der Stadt den Vorschlag, auf dem Gelände der zerstörten Ernst-Heinkel-Flugzeugwerke in Marienehe einen Hafen und Betrieb für Hochseefischerei zu errichten. Wegen der günstigen Bedingungen an der Unterwarnow für den Bau eines Hafens wurde dem Vorschlag entsprochen. Es entstand eine Fischhalle und eine Reparaturwerkstatt für die Schiffe. 

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1950 - 1959

1950 wurde der VEB Hochseefischerei Rostock gegründet.Es kamen die ersten vier Logger, die aber vorerst noch in Saßnitz festmachten. Am 19. Juni wurde das erste Mal ein Fang in Rostock am Bramower Schlachthof angelandet. Im Sommer 1951 fuhren die Logger zum ersten Mal in die Barentssee.
Zu diese Zeit fehlten überall in Ostdeutschland Arbeitskräfte, vor allem Fachkräfte. In der Fischerei fehlten erfahrene Kapitäne. So kam es, dass das Fischkombinat dreißig Kapitäne aus Westdeutschland für die neu in Dienst gestellten Logger und Seitentrawler anwarb. Es kamen auch elf Kutter von einer westdeutschen Werft in Elmshorn.
Deshalb fingen einige Schiffe mit westdeutschen Namen Fisch für die ostdeutsche Bevölkerung, so die "Lübeck", "Bremen", "Hamburg" und "Hannover". Die angeheuerten westdeutschen Kapitäne bestanden allerdings auf ihre Privilegien, dass neben der

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Bildquelle:   Galerie im Logis / Hansjürgen Richter 

Heuer eine Prämie je nach Größe des Fangs zu zahlen ist. Das war nicht nur für die Kapitäne Anreiz, sondern für die gesamten Mannschaften. Sie profitierten ebenfalls von den Fangprämien und es gab einen Anreiz, auf "Teufel komm raus" zu fischen.
Viele der Kapitäne holten ihre Familien nach, fanden in Rostock oder Saßnitz eine neue Heimat und blieben der DDR-Hochseefischerei treu.

Im Sommer 1952 erhielt der Betrieb die offizielle Bezeichnung VEB Fischkombinat Rostock. Der ehemalige VEB Fischwirtschaft Saßnitz wurde ebenfalls in VEB Fischkombinat Saßnitz umbenannt. Beide Betriebe unterstanden dem VVB Hochseefischerei Rostock. 
Der staatliche Auftrag hieß: Selbstversorgung. Für Import mangelte es an Devisen. 

Mit Kuttern allein war der Bedarf nicht zu decken und auch nicht mit den vorhandenen größeren Loggern. Mit den nun neu in Dienst gestellten Seitentrawlern konnte man Fangplätze vor Island und Grönland erreichen. Sie waren 57 Meter lang und hatten eine Besatzungsstärke von bis zu 32 Mann. Anfangs als "Grüne Pest" verlacht, wegen der grünen Schiffsrümpfe, schätzte man bald die Leistung der Schiffe und deren Besatzungen.  Auf den Fangplätzen zählte nur ehrliche harte Arbeit. Idiologie zählte in der rauen See nichts mehr.

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Seitentrawler Typ III. ROS 223 "Gera" , heute Museumsschiff in Bremerhaven      Foto: Ingo Schulze

Ab Frühjahr 1958 begann die Fischerei vor Westgrönland.
Als erstes Schiff fuhr Kapitän Heinrich Krönke mit ROS 219 "Dresden" nach Westgrönland. 
Als der Kapitän mit dem Vorschlag zu den Kombinatsoberen kam, wurde er erst für verrückt erklärt. Er sagte: "Da steht der Fisch dick." Doch länger als 14 Tage durfte auch die "Dresden" mit ihrem im Eis gelagerten Fisch nicht unterwegs sein. Dann musste der Fisch angelandet werden.
Man ließ ihn gewähren. 
Mit 4500 Korb Kabeljau kam die "Dresden" zurück. Bei diesem sensationellen Ergebnis spielte zu Ehren der "Dresden" sogar eine Kapelle im Hafen.

Für dieses Fangergebnis brauchte das Schiff nur 30 Hols in sechs Tagen. Dagegen stand aber die Anreise von 8 Tagen.

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Die Arbeit auf den Trawlern war pure Schinderei: rund um die Uhr am Fangplatz, kaum Schlaf, Kälte, Nässe und ständig unruhige See.

1960 - 1969

Mit der Indienststellung des ersten Fang- und Verarbeitungsschiffes am 31. März 1960 und bis 1966 von zwölf weiteren dieser Schiffe wurde es möglich, den Fisch bereits auf hoher See zu verarbeiten. 

Zum ersten Mal wurde im Spätherbst 1960 im Nordatlantik ein Schwimmsteert bei Windstärke 7 bis 8 von ROS 208 "Magdeburg" an das neue Transport- und Verarbeitungsschiff ROS 315 "Martin Andersen Nexö" zur Verarbeitung übergeben. Die "Martin Andersen Nexö" vorher Frachtschiff, wurde in der Mercantile Marine & Graving Docks Co. S.A. Antwerpen zum Transport- und Verarbeitungsschiff umgebaut.
Es begann ein neues Kapitel der DDR- Hochseefischerei: die Flottillenfischerei!

Das Wetter vor Labrador und Grönland war nicht immer sehr angenehm. Das wissen die Hochseefischer, die öfter dort gefischt haben sehr gut. Im März 1964 geriet ROS 224 "Görlitz" bei Windstärke zehn bis elf und Temperaturen von -30 Grad in Seenot. Über dem wärmeren Wasser bildete sich starker Seerauch, der als unterkühlter Nebel die "Görlitz" blitzschnell vereiste. Kapitän Walter Hordt und seine Mannschaft wehrten sich verzweifelt gegen den gefürchteten "Schwarzen Frost". Sie warfen Fanggeschirr und Fisch über Bord, um die überkommende See besser ablaufen zu lassen und schlugen immer wieder die schnell wachsende Eisschicht ab. So wurde das sich kaum noch aufrichtende Schiff entlastet und vor dem Kentern bewahrt. ROS 304 "Erich Weinert", die in der Nähe blieb, pumpte Öl außenbords, um die See zu beruhigen.

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ROS 315 "Martin Andersen Nexö"                                              Quelle: rostocker-hochseefischerei.de

Laut dem Funker der "Erich Weinert" war das Eis stellenweise mehr als einen Meter dick und die Männer der "Görlitz" von den Strapatzen "....total ausgepumpt, von Erfrierungen an Händen, Füßen und im Gesicht gezeichnet." Die Besatzung hatte Glück: es ging noch einmal gut!

​

ROS 208 "Magdeburg", ROS 216 "Meißen" und ROS 220 "Weimar" waren um die Jahreswende 1960/61 die ersten Schiffe, die nach Labrador und Neufundland aufbrachen.
Kapitän Rudolf Andres:

"Hier war über Wasser und unter Wasser alles anders. Schlechtes Wetter mit Schneetreiben. Fangplatzerfahrung hatten wir nicht. Auch keine Verwandten oder Bekannten auf den westdeutschen Trawlern. Ich suchte mir einen von diesen Trawlern aus, setzte mich hinter ihn und guckte mir das erst einmal an.....
Nach 20 Minuten war bei ihm Hieven. Ein dicker Büdel. Nun kamen wir: Zurück aufdampfen und aussetzen.Eine halbe Stunde geschleppt. Das Ergebnis: einmal nix, ein großes Loch im Unterblatt.......

Ich runter von der Brücke. Wir müssen das Geschirr ändern: Ins Rollergeschirr kommen mehr kleinere Holzrollen rein, damit es leichter geht, und beim Scherbrett wird der vordere Bügel ein Loch nach vorn gesetzt, damit wir nicht so breit scheren.

Mein Netzmacher: Aber, Kapitän, am Geschirr kann es doch nicht liegen. Das hat doch immer so gut gefischt............ Doch die Macht ist dem Kapitän gegeben. Aussetzen: Es klappte. Das Geschirr fischte gut."

1967 wurden die beiden Transport- und Verarbeitungsschiffe ROS 316 "Junge Welt" und ROS 317 "Junge Garde" in Dienst gestellt. Diese Fabrikschiffe waren 141 lang, hatten  eine Aktionsweite von 34000 Seemeilen, 5000 PS, 176 Männer und Frauen als Besatzung. Als Neuheit in der Hochseefischerei sollten sie mit Spezial-Trawlern ( "Graue Wölfe" wegen ihrer Rumpffarbe genannt) im Flottenverband die Fischproduktion der DDR steigern und wirtschaftlicher machen.
Am 8. März 1968 stand die "Junge Garde" auf Position 55 Grad 55'N und 57 Grad 36'W bei Labrador zwischen Hudsonbai und Sankt-Lorenz-Golf.  Es war ihre 3. Fangreise.  Dort geriet sie bei Windstärke 8 bis 9 ins Packeis. Dazu schrieb die Ostsee Zeitung nach 40 Jahren folgenden Artikel:

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Die Menschen an Land, die in ein Fischrestaurant gehen oder im Geschäft Fisch kaufen, haben oft nicht die geringste Vorstellung davon, wie hart und vor allem gefährlich die Arbeit der Hochseefischer werden kann. Unter großen Entbehrungen stehen sie ihren Mann UND Frau. Denn in den sechziger und siebziger Jahren fuhren auch Frauen auf den Schiffen der DDR-Hochseefischerei in der Kombüse und in der Produktion. Später dann vor allem noch in der Kombüse.

Die kanadische Presse berichtete von den Ereignissen auf dem Fangplatz unter der Überschrift: "34jähriger Kapitän rettet Millionenschiff". Sie brachten darin ihre Bewunderung zum Ausdruck, wie ruhig und diszipliniert die Hochseefischer ihre Aufgaben während der Havarie lösten.

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 Neues Deutschland von 1969

Im Herbst 1966 lief ROS 313 "Willi Bredel", Gerade erst in Dienst gestellt, mit Kapitän Ullrich Berndt zur Georgsbank aus. Kurz darauf folgte ROS 312 "Bodo Uhse" unter Kapitän Walter Horst. Ein Jahr später am 13.Juli 1969 traf auch Kapitän Harald Langhinrichs mit ROS 310 "Peter Kast" am Fangplatz ein.  1969 waren die Fangplätze Neuschottland, Neuengland und südlich vor der Küste der USA Hauptfanggebiete der DDR-Hochseefischerei. Zum Saisonhöhepunkt waren dort ca. 40 Schiffe aus Rostock und Saßnitz. 

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1970 -1979

ROS 307 "Peter Nell" ging in die Rostocker Fischereigeschichte als der "schnelle Peter" ein. Auf kurzen Reisen war die "Peter Nell" mit 30 Tonnen Filet pro Tag besonders erfolgreich. Auf der Jungfernreise wurde im Oktober 1963 im Nordwestatlantik erstmals auf einem Fang- und Verarbeitungsschiff ein Blinddarm entfernt, Dr. Gottfried Buss, assistiert von seinem Kollegen Dr. Gläsel von ROS 306 "F.C.Weisskopf", einem Koch und einem Matrosen. Auf der zweiten Fangreise konnte bereits der Vierte entfernt werden. Diesmal bei einem westdeutschen Kollegen von der "Sirius".
Im Februar 1973 machte die "Peter Nell" den ersten Besatzungsaustausch auf dem Fangplatz. Im August passierte sie als erstes DDR-Fangschiff den Panamakanal und fischte im Nordostpazifik und im arktischen Sommer 1977/78 versuchte sie sich am Krill in der Antarktis.

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ROS 307 "Peter Nell"                                                            Bildquelle: Rostocker Hochseefischerei. de

In den 40 Jahren Kombinatsgeschichte hatte Rostock nur einen einzigen Totalverlust eines Schiffes zu beklagen und das nicht einmal auf hoher See.

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Untergang von ROS 305 Luis Fürnberg in Wismar                                                                      Bild: OZ

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Bergung des Schiffes                                                                                                                           Bild: OZ

Am 12.November 1973 kentert in der Matthias Thesen Werft in Wismar ROS 305 "Luis Fürnberg" nach dem Ausbau der Seeventile. Diese sollten erst nach dem Ausdocken am neuen Liegeplatz gewechselt werden. Zwei Werftmitarbeiter  bauten die schadhaften Ventile aus, ohne Information an den Technischen Offizier. Am nächsten Morgen sollte die "Fürnberg" verholt werden. 
Als die beiden Mitarbeiter zum Schiff zurückkamen, befand sich das Schiff nicht mehr an seinem Platz. Die Katastrophe nahm ihren Lauf. Das bordeigene Lenzsystem war wegen der Reparaturarbeiten nicht einsatzfähig. Trotz Bemühungen durch den Technischen Offizier, legte sich die "Fürnberg" immer mehr auf Seite, bis sie schlussendlich aufgegeben werden musste. Alle Mann gingen von Bord. Es gab weder Verletzten noch Tote zu beklagen.
Am 03. Dezember 1973 wurde das Fang- und Verarbeitungsschiff ROS 305 "Luis Fürnberg" in der Werft gehoben und danach verschrottet.

Die Ostseezeitung hat darüber  nach 44 Jahren noch einmal einen ausführlichen Bericht veröffentlicht.

Am  1. August 1966 überquerte als erstes Rostocker Fischerischiff ROS 311 "Rudolf Leonhard"  den Äquator auf der Fahrt nach Südwestafrika, Es war eine kombinierte Erkundungs- und Produktionsreise um Fangplätze vor der Südwestafrikanischen Küste zu erkunden.

Das waren 6500 Seemeilen von der Heimat entfernt. Aber erst 10 Jahre später, 1976 begann die Rostocker Flotte dort mit der kommerziellen Fischerei. 
Kurz nach der "Rudolf Leonhard" überquerte auch das Forschungsschiff "Ernst Haeckel (1)" den Äquator. Diesmal mit Kurs auf das argentinischen Schelfgebiet. Hier gab es reiche Seehechtbestände. 1968 folgte der Saßnitzer Frosttrawler ROS 509 "Großer Belt".
1977 fuhr  ROS 309 "Bernhard Kellermann" zur Erkundung in den Südatlantik. 
Erst 1979 begann die Rostocker Flotte in diesem Gebiet mit der kommerziellen Fischerei. 

Am 29. November 1976 wurde der erste Atlantik-Supertrawler in Dienst gestellt ROS 331 "Ludwig Turek"

1977 kamen ROS 332 "Kurt Bartel" und ROS 333 "Ehm Welk" dazu und 1978 ROS 334 "Eduard Claudius" und ROS 335 "Arnold Zweig".

1980 - 1989

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1982 wurden die drei letzten Supertrawler ROS 336 "Hans Marchwitza", ROS 337 "Ludwig Renn" und am 20.Oktober 1982 ROS 338 "Bruno Apitz" für das Rostocker Fischkombinat in Dienst gestellt.

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Am 10.Dezember 1982 unterzeichneten 119 Staaten in Montego Bay (Jamaika) nach neunjährigen Verhandlungen die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen. Die DDR und die BRD enthielten sich der Stimme. Damit ging die Freiheit der Meere endgültig verloren. Nichts würde mehr so sein, wie es mal war. Immer mehr Küstenstaaten dehnten ihre Schutzzonen auf 200 Meilen aus und forderten hohe Gebühren. 
Die Folgen des Rechts auf Ausbeutung der lebenden Ressourcen der Weltmeere waren verheerend. Fast die Hälfte der Weltmeere reservierten sich die Küstenländer mit den 200-Seemeilen-Fischereischutzzonen. Aus diesen Gebieten aber stammten 90 % des Weltfischfangs.

ROS 331 "Ludwig Turek"         Eigenes Archiv

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Fischereihafen Marienehe, im Vordergrung ROS 701 "Stubnitz"                                    Foto: Netzfund

Die Meeresräume, die außerhalb der Schutzzonen lagen und längst nicht so ergiebig waren, wurden intensiver befischt.
Um Fanglizenzen zu erwerben, mussten in der Regel Kaufverpflichtungen trotz Eigenfang von Frischfisch und Fischerzeugnissen des Lizenzgebers eingegangen werden. Die Küstenstaaten diktierten die Bedingungen.

Der am 1.Juli 1980 gegründete Außenhandelsbetrieb Fischimpex gründete 1982 mit marokkanischen Geschäftsleuten die Aktiengesellschaft "Pimarda S.A." mit Firmensitz in Casablanca und Heimathafen Agadir. Die ersten vier DDR-Fischereischiffe wurden ausgeflaggt: Al Mouna, ex ROS 612 "Kattegatt", El Amal, ex ROS 613 "Malangen", Doukkala, ex ROS 607 "Orkney" und Zegota, ex ROS 606 "Nordsee".

Langfristig sichere Fangplätze für die acht

Supertrawler vor Argentinien zu erschließen, ließ sich nur über die Gründung eines Joint Ventures, der "Galapesca S.,A." erreichen, dem Fischimpex als Gesellschafter beitrat. ROS 336 "Hans Marchwitza" ging am 2. Oktober 1987 als erstes Schiff auf die Reise nach Ushuaia. Sie setzte die argentinische Flagge und führte Buenos Aires als Heimathafen. Aber schon am 10.Juni 1988 setzte die "Hans Marchwitza" wieder die DDR-Flagge. Dazu führte die Erhöhung der Treibstoffkosten, die hohen Umschlagkosten, der gefallene Kalmarpreis, die hohe Inflationsrate und subjektive Mängel im Management.

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Im Mai 1983 trieb der Z-Trawler ROS 412 "Grete Walter"mit einem Wellenlagerschaden 20 Seemeilen vor der mauretanischen Küste. Zwei Kontrolleure eines mauretanischen Küstenschutzbootes kamen an Bord und kontrollierten die Schiffspapiere. Sie erkannten die Fischereilizenz nicht an und forderten den Kapitän Siegfried Manthay auf, auf das Kontrollboot mitzukommen. Der jedoch lehnte ab. Das Kontrollboot eröffnete das Feuer. Glücklicher Weise gab es weder Tote oder Verletzte. Brücke, Bordwand, Batterieraum, Tagestank und Rohrleitungen werden getroffen. Der Kapitän zeigt ein weiße Tuch. Der Kapitän, der Funker und der Chief wurden in die Hauptstadt Nouakschott gebracht. Das fahruntüchtige Schiff wurde vom Schwesterschiff ROS 415 "Heinz Pries" in den nächsten Hafen geschleppt. 
Am 7.Juni kommen die Gefangenen frei. Die Mauretanier bedauerten den Zwischenfall. ROS 412 trat notdürftig repariert die Heimreise an.
Die 56 Einschüsse wurden auf der Rostocker Neptunwerft ohne öffentliches Aufsehen beseitigt. 

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ROS 412 "Grete Walter"                                                                           Foto: Netzfund 

Der Sachschaden betrug 200000 Mark, Verlust durch ausgefallene Produktion und Hilfe durch andere Schiffe betrug 3,2 Millionen Mark. Diese Rechnung wurde nie beglichen!

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ROS 337 "Ludwig Renn"                                                                               Foto: Netzfund

Am 26. Dezember 1987 um 21:07 Uhr MEZ erreichte ROS 337 "Ludwig Renn" ein Notruf. Sie war auf dem Weg zum USA-Schelf bei schwerer See 500 Seemeilen westlich der irischen Küste. Das unter panamaischer Flagge fahrende  Containerschiff "Island Queen" ist in Seenot geraten und die Besatzung musste das Schiff aufgeben. Kapitän Dietmar "Fiete" Meißner ging auf Gegenkurs und war nach zweieinhalb Stunden bei dem Havaristen, denn sein Schiff war der "Island Queen" am nächsten. 
Es war stockdunkle Nacht. Der Frachter hatte in der stürmischen See eine Schlagseite von mehr als 30 Grad. Windstärke 8 bis 9 und zehn Meter hohe Wellen hatten die Holzladung an Deck übergehen lassen. Die Rettungsboote konnten nicht mehr ausgesetzt werden und die Maschine war nach Wassereinbruch ausgefallen.
Um 0:30 Uhr lief die Rettungsaktion an.
Der Raum zwischen den Schiffen wurde mit den Bordscheinwerfern ausgeleuchtet. Viermal legten sich

Bestmann Wolfgang Berndt und Decksschlosser Wolfgang Weber an die Leeseite des Havaristen, über sich die drohende verrutschte Ladung. Sie schafften es, die 14 Mann Besatzung, die Schiffspapiere und die persönlichen Habseligkeiten der pakistanischen Seeleute in Sicherheit zu bringen. Nach einer dreiviertel Stunde war die Rettungsaktion beendet. ROS 337 nahm seinen Kurs Richtung USA wieder auf.
Die beiden Wolfgangs erhielten nach ihrer Heimkehr die Lebensrettermedaille, Kapitän Meißner nahm für das Schiff die Ehrenmedaille des Seenotrettungsdienstes der DDR entgegen, die zum erstenmal einer Besatzung verliehen wurde.

Nach 1990

Nach der Seerechtskonvention von 1982 wurden die Fischereiflotten in Westdeutschland aus marktwirtschaftlichen Gründen immer stärker abgebaut. Im Osten verstärkte die DDR-Führung mit kostenaufwendigen Aktionen die internationalen Aktivitäten, um die Hochseefischerei vor dem Untergang zu bewahren. Die Ausgaben für Fanglizenzen  von 5,5 Millionen 1978 stiegen auf 17,4 Millionen Valuter Mark 1983. Fisch wurde nun nicht mehr nur für die eigene Bevölkerung gefangen, sondern auch ins Ausland verkauft.
Mit der Wende 1989/1990 und dem Wegfall der staatlichen Subventionen, zeichnete sich das Ende der DDR-Hochseefischerei ab. Auch hier bestimmt nun der Markt den Preis und nicht mehr die Politik.
Zusätzliche Fangrechte für das vereinte Deutschland innerhalb der Europäischen Gemeinschaft waren nicht durchsetzbar. Die Fangmengen mussten drastisch gekürzt werden. So war die Hochseefischerei außerhalb der EG-Gewässer und des Nordatlantiks wirtschaftlich ohne Aussicht auf Erfolg.

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Das Ende der Rostocker Hochseefischerei, wie sie in der DDR betrieben wurde, war besiegelt! Von den ehemals 5000 Hochseefischern blieben in der nachfolgenden Mecklenburger Hochseefischerei (MHF) noch 250 Hochseefischer übrig. Die MHF übernahm von der DDR-Fischerei Die Schiffe ROS 337 "Herkules" (ehemals "Ludwig Renn"), ROS 801 "Auriga" (ehemals "Fritz Dettmann"), ROS 802 "Bootes" (ehemals "Heinz Daduna"), ROS 803 "Cetus" (ehemals "Werner Niedermeier"), ROS 804 "Dorado" (ehemals "Albert Glass"), ROS 805 "Eridanus" (ehemals "Manfred Skaun"), ROS 806 "Fornax" (ehemals "Wilhelm Rügheimer") und ROS 807 "Gemini" (ehemals "Otto Wickboldt").
Alle anderen Schiffe wurden verkauft oder verschrottet. ROS 338 "Bruno Apitz" wurde 

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ROS 338, hier als "Aeronaft"                                                           Foto: FleetMon.com

als "AERONAFT" an SOCOP Nahrungsmittel GmbH Berlin verkauft, verschartert Bareboat in Joint Ventures mit BAMR Nachchodka, Russland, wo sie bis heute noch fährt.

​

Nach der Wende fanden 1990 Beratungen von Fachgruppen der Fischwirtschaft beider deutscher Staaten in Rostock und Cuxhaven statt. Im Ergebnis beendete der Betrieb am 30. Juni 1990 seine Existenz. Zu dem Zeitpunkt waren 8309 Arbeitnehmer, darunter 4350 seefahrendes Personal, im Kombinat beschäftigt. Der VEB Fischkombinat Rostock wurde am 1. Juli 1990 privatisiert und in fünf GmbH aufgeteilt, das Kombinat wurde zur Deutsche Fischwirtschaft AG, am 2. August 1990 wurden als weitere Unternehmen die Rostocker Fischereihafen GmbH (RFH) und die Ostsee-Fisch GmbH gegründet, am 15. November 1990 folgte die Rostocker Fischfang-Reederei GmbH.
Mit dem Seitentrawler Gera (ROS 223) sowie dem KTS Stubnitz (ROS 701) sind zwei Schiffe der ehemaligen Flotte des VEB Fischkombinat Rostock als Museumsschiffe in Bremerhaven und Hamburg erhalten.
 

"Die Hochseefischerei der alten Bundesländer schrumpfte in Folge der III.Seerechtskonferenz und Überfischung über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren.
Mecklenburg-Vorpommerns Fischer mußten diesen Anpassungsprozeß in weniger als zwei Jahren nachvollziehen. Unausweichlich und schmerzlich."

Zitat aus: "Hiev up, So war die Hochseefischerei der DDR"   von Dietrich Strobel und Wulf-Heinrich Hahlbeck

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End Of The Road!

Textquellen:     Literatur:
Hiev Up, So war die Hochseefischerei der DDR                     Dietrich Strobel, Wulf-Heinrich Hahlbeck
Internet:

Wikipedia
Rostocker Hochseefischerei

Die Entwicklung der Rostocker Hochseefischerei nach 1990 in Stichpunkten

1990

- Führungsspitze des VEB Fischfang Rostock als Stammbetriebsleitung auch Leitung des gesamten                             Fischkombinates tritt zurück

- am 1.Juli 1990 übernimmt ein vorläufiger Vorstand die Führung der Unternehmensgruppe

- VEB Fischkombinat Rostock transformiert zur Deutschen Fischwirtschaft AG

- der vormalige VEB Fischfang Rostock wird in 
   - Rostocker Fischfang-Reederei GmbH (15.November 1990)
   -Rostocker Fischereihafen GmbH (2.August 1990)

   - Ostseefisch GmbH (2.August 1990) und zwei weitere Fischverarbeitungsbetriebe 

   - Hanseatische Sondermaschinen und Ingenieur GmbH

   entflochten

 

1993

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- 1. April  1993  Spaltung der Rostocker Fischfang-Reederei GmbH in

     - Mecklenburger-Hochseefischerei GmbH

     - Kühltransport-Reederei GmbH

- mit Privatisierung der Gesellschaft erwirbt das isländische Unternehmen Utgerdarfelag Akureyringa 60 Prozent       der Geschäftsanteile der Mecklenburger Hochseefischerei GmbH, 25,1 Prozent übernimmt das Land Meckl.-             Vorpommern und 14,9 Prozent die Rostocker Fischereihafen GmbH

- Schiffsbesttand: 7 Gefriertrawler und ROS 337 Hercules

- 13. November 1993 wird ROS 803 Cetus aufgelegt, verkauft nach Argentinien

​

1994

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- 26. August 1994 verkauf der ROS 337 Hercules an Doggerbank Seefischerei Bremerhaven
- 14.Oktober 1994 Beschluss über Saisonbedingte Fischerei

​

1995 

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- ROS 801 Auriga verkauft nach Argentinien

- Beginn des ersten Hochseefischereifahrzeugneubaues für Mecklenburg-Vorpommern nach der deutschen               Wiedervereinigung

- Gründung der Nordbank Hochseefischerei GmbH und Ostbank Hochseefischerei GmbH in Rostock

- Übernahme von ROS 784 Dirk Dirk von der Doggerbank Seefischerei GmbH durch die Ostbank Hochseefischerei GmbH Rostock

- ROS 802 Bootes über den Umweg Zypern, Heimathafen Limassol, verkauft nach Russland

​

1996

​

- Indienststellung des Neubaues ROS 785 Helen Mary in Rostock 

​

1998

​

- Übernahme der Mecklenburger Hochseefischerei GmbH (MHF) mit 4 Fangfahrzeugen

​

1999

​

- Gründung der Rostocker Hochseefischerei GmbH als Tochterunternehmen der MHF;

- Ankauf von ROS 170 Annie Hillina durch das Unternehmen, 

​

2000

- Ankauf der ehemaligen „Cuxhaven“ und Indienststellung als ROS 786 Gerda Maria durch die Nordbank                   Hochseefischerei GmbH

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2001

​

- Gründung der Warnemünder Hochseefischerei GmbH und Überschreibung von ROS 805 von der MHF an die neue Reederei, Überschreibung von ROS 806 Fornax an die Westbank Hochseefischerei GmbH; Verkauf von ROS 807 Gemini

​

​

2002

​

- Verkauf von ROS 804 Dorado

​

2005

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- Verkauf von ROS 806 Fornax und ROS 805 Eridanus an ein isländisches Unternehmen und Rücknahme beider Schiffe nach geplatzten Transfergeschäft

​

2006

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- Verkauf ROS 806 Fornax als NIDA nach Litauen,

- erneute Indienststellung von ROS 805 als BX 787 Sebastes M. durch die Warnemünder Hochseefischerei GmbH

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2007

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- Verkauf von ROS 170 Annie Hillina an die Niederlanden und Ankauf von ROS 171 Maartje Theodora durch die         Westbank Hochseefischerei GmbH

- Aufnahme der Fischerei im Südpazifik

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2008

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- Verkauf von BX 787 Sebastes M.

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2009

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- Verkauf des Schiffes ROS 784 Dirk Dirk an die Faroer , Ankauf des Schiffes Annie Hillina aus Holland und                     Registrierung unter ROS 170 mit neuem Eigner Ostbank Hochseefischerei GmbH

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2010

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- Wiederaufnahme der Fischerei vor der Küste Maroccos mit ROS 171 Maartje Theodora

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2011

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- Ankauf des Kühlhauses Frigolanda in Bremerhaven und Registrierung unter dem Nahmen Euro Frost als                   Tochterunternehmen der Mecklenburger Hochseefischerei GmbH. Im Rahmen der Registrierung wurde die             Rostocker Hochseefischerei GmbH in Euro Frost GmbH umgeschrieben.

- Wiederaufnahme der seit 2006 unterbrochenen pelagischen Rotbarschfischerei auf dem Reykjanesrücken               durch ROS 170 Annie Hillina

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2012

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- Juni 2012 wurde von Parlevliet & Van der Plas auf der Ostseeinsel Rügen im Sassnitzer Ortsteil Mukran                       das EuroBaltic-Fischverarbeitungszentrum in Betrieb genommen, das zu diesem Zeitpunkt größte und                       modernste Fischverarbeitungswerk Europas

- Westbank Hochseefischerei GmbH wird in Frankreich wegen illegaler Fischerei mit der ROS 171 Maartje                     Theadora zu einer Strafe von 580.000 Euro verurteilt

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2013

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- Im März 2013 berichtete das ZDF-Magazin Frontal 21 und die niederländische Sendung Zembla, die Besatzung         der Jan Maria habe 2012 den Fangwert illegal erhöht, indem sie bereits gefischte, verwertbare und eingelagerte       Fische tot wieder über Bord gekippt hat, um Platz für andere oder größere Fische, die mehr finanziellen Ertrag         versprechen, zu schaffen. Diese Praxis nennt sich „High-grading“ und wurde schon Jahre zuvor unter Strafe             gestellt, um den Raubbau an der knappen Ressource Fisch zu begrenzen.
- Ende November 2013 brachte die irische Küstenwache ein Fangschiff der Unternehmensgruppe wegen des             Verdachts auf „High-Grading“ auf.

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2015

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- Indienststellung des Neubaus ROS 777 Mark durch die Mecklenburger Hochseefischerei GmbH

Quelle:  Stand und Entwicklung der Hochseefischerei in Deutschland  (PDF)

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             "Hiev up, So war die Hochseefischerei der DDR", Strobel, Hahlbeck

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             Wikipedia

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